Frauen, die Männer dafür verantwortlich machen, dass das schöne Thema „Menstruation” nicht den gleichen Stellenwert erreicht hat, wie andere Themen, die viel selbstverständlicher und öffentlicher diskutiert werden.
Das ist es im Grunde, was mich als Mann und Aktivist im Bereich des Menstrual Hygiene Mangements in der Diskussion immer so stört. Dass Frauen gerne über ihre Menstruation und verschiedene Hygieneprodukte reden möchten (oder auch nicht), dann aber Schwierigkeiten damit haben, wenn Männer davon erfahren und/oder sich auch zu dem Thema äußern (auch wenn sie keine Ahnung haben). Oder die Frauen die Männer gar für die Gesamtsituation verantwortlich machen. Oder aber in den sozialen Medien Bilder ihrer Menstruationstassen veröffentlichen (yay!) und dann alle Männer regelmäßig in einen Sack stecken, weil sich ein paar unreife Exemplare meines Geschlechts darüber aufregen.
Letztes Jahr war ich bei einem BarCamp, und eine Session ging um das Thema Menstruationstassen. Ich finde das super und sehe ein themenneutrales BarCamp als den perfekten Ort dafür. Ich hatte das sogar getwittert und sofort einen saudoofen Kommentar einer Frau bei Twitter erhalten, die wohl dachte, ich würde mich nur ironisch freuen. In der Session waren wir ca. 6 Personen, ich war der einzige Mann vor Ort. Diese wenigen Frauen (von vielen TeilnehmerInnen des BarCamps) hatten das Thema dann aber eifrig diskutiert und so kamen wir auch auf die unterschiedlichen Größen bei den Tassen zu sprechen und was es da noch so für Aufklärungsbedarf gibt. Die Zeit wurde gut genutzt und wahrscheinlich hätten wir noch länger darüber sprechen können.
Die Menstruationstassen sind ja zuerst über ein paar Projekte in den Entwicklungsländern populär geworden, weil sie nachhaltiger sind und weniger kosten als Einwegprodukte. Ich erinnere mich da vor allem an den Rubycup aus Dänemark, der über dieses “Buy One, Give One” populär wurde. Das Hauptproblem bei den Tassen ist (aus meiner Sicht) derzeit noch, dass es zwar Blogposts zum Thema gibt, es aber immer wieder offene Fragen gibt, die wohl nur durch Ausprobieren (also auch durch den Kauf) gelöst werden können. Das betrifft zum Beispiel die Tassengröße, das Handling oder die Frage, ob das eigene Schamgefühl bereit ist für so einen Systemwechsel.
Jetzt in 2018 gibt es dankenswerterweise schon einige schöne Initiativen, die sich mit dem Themenkomplex befassen und der Aktivismus ist nicht nur auf ein paar Entwicklungsländer beschränkt, wo die monatliche Regelblutung in der Gesellschaft noch viel stärker tabuisiert wird. Aber auch dort gilt, genauso wie in Europa – und das ist mein Hauptwunsch bei allem: Frauen müssen darüber reden. Dürfen es nicht tabuisieren. Was die Männer davon denken oder halten ist erstmal egal, und ja, wir (cis) Männer haben natürlich keine richtige Ahnung davon, weil wir es nicht selber erleben, sondern nur die Auswirkungen davon passiv spüren und eigentlich nur das wissen, was uns die Frauen davon erzählen. Das heißt aber nicht auch im Umkehrschluss, dass es uns gesellschaftlich nicht betrifft! Keine Ahnung, keine eigenen Erfahrungen damit haben heißt nicht automatisch, dass (cis) Männer darüber schweigen sollten. In den Herstellerfirmen der Tampons und Binden arbeiten auch nicht nur Frauen! Und es gibt nicht nur Gynäkologinnen.
Aus meiner Sicht dürfen und sollen sich (cis) Männer also auch mit dem Thema befassen “dürfen”, wenngleich sie es selbstverständlich nie so nachvollziehen können wie Menschen mit Uterus.
Leider erlebe ich es (vor allem online) immer wieder, das viele modern wirkende Feministinnen einen so festgefahrenen Horizont haben, dass ihnen da eine feinere Unterteilung nicht mal ansatzweise in den Sinn kommt. Und das betrachte ich als Teil des Problems, weil das Thema dann wieder nur in einer Filterblase besprochen wird. Es ist immer noch ein Tabuthema, und gerade in den Ländern, in denen die monatliche Blutung verwendet wird, um Frauen systematisch zu unterdrücken, ist es nicht verkehrt, die Männer in das Thema miteinzubinden. Und das geht nur, wenn darüber auch offen gesprochen wird.
In den letzten Jahren und vermehrt durch die Tassen ist das Thema immer salonfähiger geworden, weshalb ich jetzt zwei interessante Projekte vorstellen möchte, die ich letztens entdeckt habe:
The Red Tent
Die Mädels hinter der “Kreativagentur goalgirls” haben eine Crowdfunding-Kampagne namens “The Red Tent” ins Leben gerufen, bei der sie „ein Festivalzelt für die Periode” anbieten möchten. Weiters heißt es dort „Hier können sich menstruierende Festivalbesucher kostenfreie Periodenprodukte abholen, an Workshops teilnehmen, Bloody Marys trinken und gemeinsam menstruieren. Die ‘Red Tent Bewegung’ ist Teil einer Kampagne für die offenen Integration des weiblichen Zyklus in den Alltag.” Ich finde das wunderbar und freue mich, wenn das Funding dafür klappt!
Die Thematik mit den “kostenfreien Periodenprodukten” habe ich auch schon öfter durchgekaut, und ich bin da etwas unentschlossen. Das betrifft auch die Besteuerung der Hygieneprodukte durch die Mehrwertsteuer und ihre unterschiedlichen Aufschläge. Ich würde mir wünschen, dass wir der Sanitärversorgung im Allgemeinen einen ganz anderen Stellenwert geben und darüber dann auch die Kosten für Toilettenpapier, Poduschen, “Periodenprodukte” usw. als Gesellschaft neu überdenken. Aber man kann natürlich Forderungen stellen und ohne solche Forderungen wird es nie ein Weiterkommen in der Problematik geben. Ich finde es beispielsweise auch ungerecht, dass Frauen bei den Krankenkassenbeiträgen höher abgezockt werden als wir Männer.
Menstruation Museum Europe
Das Menstruation Museum Europe habe ich bei Instagram entdeckt, es befindet sich als pop-up Installation in Amsterdam und dreht sich nur um das Themenfeld Menstruation. Stigmata, Tabus und Wissenslücken werden in der Beschreibung des Museums als Grund angegeben, wieso es vielen Teilen der Welt zu einer schlechten Menstrualhygiene kommt.
Die Kollektion des Museums umfasst über 100 historische Objekte zum Thema Menstruation, aus den letzten 160 Jahren. Die Macher*innen des Museum sammeln weiter Ausstellungsstücke und bitten um weitere Sachspenden aus anderen Kulturkreisen, die derzeit noch unterrepräsentiert sind. Derzeit wird nach einem festen Ort gesucht, und trotz dieses pop-up Charakters (= mobile Ausstellung) kann man das trotzdem alles als “Museum” bezeichnen. Ich finde das großartig und möchte mir das gerne mal anschauen.
Diese beiden Projekte als kleiner Hinweis auf all das, was es derzeit gibt. Wenn also in den sozialen Medien mal wieder das Bild einer (unbenutzten) Menstruationstasse gepostet wird oder Körperflüssigkeiten durch eine blaue Flüssigkeit symbolisiert werden, dann kann man da ganz entspannt reagieren und sich darüber freuen, dass sich die Gesellschaft nach all den Jahren Menstruation vielleicht mal etwas weiterentwickelt. So wie wir jetzt auch viel selbstverständlicher über die feuchte Analreinigung (“Poduschen”) sprechen. Aber das ist ein anderes Thema…