Dear readers: The following blog post is only available in German, so you may want to translate it into your language. This being a bilingual blog, I still wanted to write about it in my own language, because it’s just so great to have a local network of like-minded people who care about the same cause and contribute their time and knowledge to something that helps us humans in closing nutrient cycles. So, I hope that something similar is also available in your region/country and that we may connect in future on the following topic.
Am Welttoilettentag 2022 war ich zu Besuch beim halbjährlichen Mitgliedertreffen des Netzwerkes für nachhaltige Sanitärsysteme e.V. (NetSan), dessen guter Arbeit ich jetzt schon seit einiger Zeit folge und das jetzt sein fünftes Treffen und vierjähriges Bestehen feiert.
Es ist ein Netzwerk aus verschiedenen Akteuren, die nachhaltige Sanitärsysteme anbieten und sich in diesem Netzwerk nicht nur fachlich sehr gut austauschen, sondern sich auch gemeinsam für eine verbesserte Akzeptanz dieser Systeme einsetzen. Es geht also nicht nur um die Schnittstelle “Toilette”, wie sie die meisten Nutzer*innen wahrnehmen (weil sie nur damit in Kontakt kommen), sondern auch um das Schließen kompletter Stoffströme. Man spricht von der Nährstoff- und Sanitärwende, von einem Ansatz also, den damals auch die aus Nordeuropa stammende ecosan-Bewegung (ecological sanitation) im Sanitärbereich als Motivation verstanden hat. Und das ist gar nicht so einfach, aber aus meiner Sicht dringend notwendig.
Den Dingen einen Wert geben
Wir haben hier in Deutschland einen Anschluss- und Benutzungzwang für viele Grundstücksbesitzer, der den Anschluss an eine (kosten- und energieintensive) Abwasserreinigung in kommunnalen Kläranlagen vorschreibt. Wir haben auch eine Gesetzeslage, die menschliche Ausscheidungen nur in Verbindung mit dem Spülwassser auf den Toiletten als Abfallart bzw. Stoffstrom definiert. Und wir haben immer noch die Situation, dass wir unsere Stoffkreisläufe nicht richtig schließen. Dass wir Systeme und Produkte einsetzen, die verfahrenstechnisch am Ende immer zum Endprodukt “Müll” führen, das entsorgt werden muss.
Will man zu diesem Setup eine Alternative anbieten, will man die Stoffströme nicht nur als “Müll” definieren, sondern ihnen einen Wert geben und beispielsweise Nährstoffe aus den menschlichen Ausscheidungen herausziehen, dann braucht man ein starkes Netzwerk an Mitmachern. Menschen, die sich gegenseitig bestärken, motivieren und die mit ihrem Engagement Dinge erreichen, die bisher nicht möglich waren.
Vorgeschichte
Vor ca. 20 Jahren habe ich bereits die Vernetzung der ecosan-Aktivisten mitbekommen: So gab es lange Jahre eine Yahoo!-Mailingliste, die dann später vom Forum der in 2007 gegründeten Sustainable Sanitation Alliance (SuSanA) ersetzt wurde und in dem der große Wissensschatz gesammelt werden sollte. Als freier Mitarbeiter im Wissensmanagement habe ich viele Jahre lang den ecosan-Newsletter der GTZ/GIZ für deren Sektorprogramn eocsan/sustainable sanitation verschickt. Und meine Erkenntnis aus all dem ist: a) gute Sanitärversorgung betrifft uns alle, b) es ist so wichtig, mit gut motivierten Menschen zusammen zu arbeiten, damit sie ihr Wissen teilen und c) dieses Wissen muss so zugänglich aufbereitet werden, dass man sich ohne viel Einleitung (sorry) schnell in die wichtigsten Dinge einlesen kann.
Dieses Blog ist in 2007 entstanden, weil mir die meisten News in diesem Bereich viel zu politisch waren. Ich wollte über Projekte berichten, über Produkte und über Methoden, weniger über irgendwelche Zielvereinbarungen mit den Regierungen im globalen Süden. Und wir müssen mit gutem Beispiel voran gehen und selber bei uns für einen Systemwechsel, für eine Verbesserung der Sanitärversorgung sorgen. Die guten Trockentoiletten von den Festivals auch in den Städten einsetzen! Urinale und öffentliche Toiletten anbieten, bei denen nicht die Angst vor Vandalismus im Vordergrund steht. Und wir brauchen Verwertungswege, die gegenüber der herkömmlichen Reinigung als mindestens gleichwertig angesehen werden.
Kläranlagen sind aus meiner Sicht nicht schlecht und sie werden von vielen Entscheidern auch immer noch als alternativlose Reinigungsmethode empfunden, die ein Zusammenleben von Menschen auf engem (urbanem) Raum ermöglichen. Aber es gibt Alternativen, die gerade dort erfolgreich sein können, wo sie kein bestehendes System verdrängen. Und es gibt einen Klimawandel, es gibt endliche Ressourcen auf diesem Planeten, es gibt kein Weiter-wie-bisher und daher müssen wir uns immer nach Alternativen umschauen und bestehende Systeme zumindest hinterfragen dürfen.
Wir brauchen also Ideen und neue Ansätze, wie man Stoffströme (ohne lange Transportwege) lokaler schließen kann, wie man von diesen Einzellösungen hin zu Systemen kommt, die auch auf engem Raum eingesetzt werden können. Diesen Wunsch gibt es übrigens schon seit Jahren, ich erinnere mich da vor allem an eine Anlage in China mit Fallrohren in großen Wohnhäusern und Sammelbehältern im Erdgeschoss. Der Wunsch zu einem Systemwechsel ist also nicht neu, es bedarf aber gewisser Rahmenbedingungen. Den Akteuren des NetSan e.V. sind jetzt zumindest ein paar Teilerfolge gelungen, die aus meiner Sicht richtungsweisend sind und die ich deswegen kurz erwähnen möchte:
Pilotanlage
In Eberswalde gibt es eine Pilotanlage der Firma Finizio GmbH, auf der die Stoffe aus den Trockentoiletten gesammelt, hygienisiert und humifiziert werden. Sie ist die erste Anlage dieser Art in Deutschland, in der die gewerblich gesammelten Inhalte aus Trockentoiletten zu qualitätsgesicherten Recycling-Düngern verarbeitet werden. Also genau das ermöglicht, was bisher nicht möglich war und daher so extrem wichtig ist. Ohne diesen Schritt würde man die Inhalte aus den gewerblichen Trockentoiletten in Deutschland nämlich nicht verarbeiten dürfen. Und genau das geschieht jetzt dort im Rahmen eines Feldversuches: Der so produzierte, hygienisch unbedenkliche, qualitätsgesicherte Recycling-Dünger wird auf einem Acker ausgetragen und der Erfolg über einen längeren Zeitraum (im Vergleich mit anderen Düngearten) gemessen. Das gab es früher alles nicht, es war früher alles nicht möglich (nur auf privaten Flächen, von Privatleuten). Dieser Schritt kann also auch Anworten auf die Fragen von Entscheidern liefern, wie sie ihre lokal anfallenden Stoffe in Stoffkreisläufen besser schließen können.
DIN SPEC 91421
Es wurde eine DIN SPEC zu der Frage erstellt, unter welchen Qualitätskriterien Recyclingdünger aus Trockentoiletten sicher und schadlos für Menschen und Umwelt genutzt werden können.
So eine DIN SPEC ist der kürzeste Weg, Standards direkt aus der Forschung am Markt zu etablieren und sie kann auch Grundlage für eine DIN-Norm sein. Sie ermöglicht jetzt alleine noch keine düngerechtliche Zulassung der Recycling-Dünger aus den Trockentoiletten, ich betrachte sie aber als großen Meilenstein auf dem Weg dorthin und finde es einfach nur großartig, dass es sie gibt und dass sich die Mitglieder des NetSan e.V. gemeinsam um ihre Ausarbeitung gekümmert haben. Das ist jetzt ein echtes Weiterkommen auf einem ganz anderen Level und ich möchte allen beteiligten Personen für die Mühen herzlich danken.
Vorgestellt wurden im Rahmen dieser Präsentationen auch das BMBF-Forschungsprojekt „REGION.innovativ zirkulierBAR“ und das EU-Forschungsprojekt „P2Green“. In beiden, vom Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) e.V. aus Großbeeren koordinierten Projekten sind Akteur*innen aus dem NetSan e.V. beteiligt.
Wording
Ein großer Verdienst der deutschen Partner in der Sustainable Sanitation Alliance ist es, dass die Stoffströme im Sanitärbereich nicht mehr nur als “Abwasser” und damit als Teilkomponente des (Trink)Wasserbereichs wahrgenommen werden, sondern dass man seit einigen Jahren von einer Sanitärversorgung spricht. Sanitärversorgung statt Abwasserentsorgung.
Was sich nach einer sprachlichen Feinheit anhört, ist extrem wichtig. Viele Produkte und Systeme sind in den Köpfen vieler Menschen bereits mit einem bestimmten Wert besetzt. Dagegen anzukommen ist schwierig, aber man möchte den Dingen einen neuen Wert geben und ein guter Weg ist es, eine neue Begrifflichkeit einzuführen. Es sind auch unterschiedliche Methoden (zB die Verwendung anderer Temperaturbereiche), so dass eine neue Begrifflichkeit sehr sinnvoll ist.
So erwähnte die Initiatorin der o.g. DIN SPEC Dr.-Ing. Ariane Krause in ihrem Vortrag auch den Verzicht auf Wörter wie „Kompostierung” oder „Pasteurisierung” (beinhaltet Feuchtigkeit). Stattdessen verwenden wir zukünftig Begriffe wie Hygienisierung, Humifzierung, Warmbehandlung. Das ist sehr gut und im Verständnis und in der Kommunikation der Systeme ein ganz wesentlicher Schritt, den ich deswegen hier unbedingt nochmal erwähnen möchte.
Das ist mir auch deswegen so wichtig, weil man die “neuartigen Sanitärsysteme” (NASS) viel leichter vermarkten kann, wenn sie ideologisch nicht schon fest besetzt sind. Ein Beispiel vielleicht aus der Praxis aus dem NETSSAF-Projekt in Westafrika, in dem gesammelter Urin nach seiner Hygienisierung erst nach Namensänderung erfolgreich verkauft werden konnte und damit eine lokale Akzeptanz fand.
Abschluss
Der Besuch beim NetSan e.V. hat mich jetzt nachhaltig beeindruckt und auch motiviert, wieder verstärkt über diese Themen zu bloggen. Als Blogger muss ich ja nicht unbedingt das wissenschaftliche Wording einhalten und möchte eigentlich lieber Privatleute erreichen, damit sie das Thema auf dem Schirm haben. Gerade die ältere Generation hat vielleicht nicht so viel Erfahrung mit den Trockentoiletten (da idR keine Festivalbesucher), aber die möchte ich mit so einem Blogpost auch erreichen.
Vor genau 10 Jahren hatte ich meine Abschlussarbeit zum Thema Cradle to Cradle Toiletten geschrieben und darin nur ganz oberflächlich die Situation beschrieben. Daher freut es mich jetzt so sehr, dass Ariane genau diesen Bereich bearbeitet hat, der mir damals von meiner Betreuerin angetragen wurde, und dass dieser Verein, dieses Netzwerk existiert, um gemeinsam ein Weiterkommen zu ermöglichen.
Pressemitteilung des NetSan e.V. vom 19.11.2022 (PDF; 0,4 MB)
Hey I was referred to you by Fidelis Kilonzo (Dr.) and am currently (to be honest it’s been a couple of years) engaging local government in Kiambu, Kenya to conduct social context studies for WASH projects. I’d appreciate some insights. Thank you.